Liebe Leserin, lieber Leser, am liebsten würde ich Ihnen als Erstes vom Düsseldorfer Zoch berichten und selig in Rosenmontagseindrücken schwelgen. Aber der Karneval wird überschattet von einem schrecklichen Ereignis im nordhessischen Volkmarsen: Dort fuhr ein Mann mit einem Auto in einen Rosenmontagszug. Nach jetzigem Stand wurden 30 Menschen verletzt, darunter viele Kinder. Der Fahrer wurde verhaftet. Das Tatmotiv ist noch unklar, ein zweiter Mann wurde ebenfalls festgenommen. Aus Sicherheitskreisen wurde gemeldet, dieser habe hinter dem Auto gefilmt - ob als Gaffer oder Eingeweihter, ist nicht bekannt. Lassen Sie uns diese Unklarheit aushalten. Wir werden früh genug wissen, ob es eine politisch motivierte Tat war. Den letzten Stand erfahren Sie hier. Erlauben Sie mir, auch aus diesem Anlass, einen Nachtrag zu Hanau. Es scheint bei einigen die Vorstellung zu herrschen, der Mann, der neun Menschen mit Migrationshintergrund in zwei Shisha-Bars erschossen hat, könne nur eines von beidem gewesen sein: ein rechtsextremer Attentäter oder ein Geisteskranker. Ich habe mir ein Video und einen langen Text von ihm angesehen und schließe daraus, dass er beides war. Ihn bewegten zutiefst rassistische Motive und absurde Wahnvorstellungen, das wird darin überdeutlich. Aber selbst wenn er psychisch krank war, bleibt seine Tat ein Akt des Terrors. Mehr noch: Ich vermute, dass kaum ein Attentäter alle Tassen im Schrank hat. Das macht es aber nicht besser. Ich wünschte mir, der Kampf um die Deutungshoheit bei solchen Ereignissen würde weniger ideologiegetrieben geführt. Und für Volkmarsen gilt eine alte Journalistenweisheit: Erst wissen, dann meinen. Was Thüringen und die Folgen für die CDU angeht, kann man ziemlich viel meinen, die einen so, die anderen so. Jedenfalls hat die Hamburg-Wahl die einstige Volkspartei in der eigentlich durchaus bürgerlichen Hansestadt auf 11,1 Prozent gedrückt. In dieser Woche will sich die Bundes-CDU vorsortieren, ein Sonderparteitag in zwei Monaten soll die Führungsfrage klären, und der künftige Parteichef soll auch als Kanzlerkandidat antreten. Meine Berliner Kolleginnen Eva Quadbeck und Kristina Dunz haben sich die wahrscheinlichen Anwärter Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Jens Spahn (alphabetische Reihenfolge, damit keine Missverständnisse aufkommen...) vorgenommen. „Die vier von der Zankstelle“ haben sie ihren Text überschrieben. Mit diesem Gag sind wir jetzt doch beim Düsseldorfer Zoch gelandet. Dort fuhr ein Mottowagen mit, der just diese vier CDU-Männer aus NRW mit überdimensionalen, nackten Hodensäcken zeigte: „Reines Männersackhüpfen in der CDU“ war dort zu lesen. Als Karneval-Novize maße ich mir kein Geschmacksurteil an. Es scheint niemanden besonders bewegt zu haben, was ich als Ausdruck rheinischer Liberalität sehe. Als die Wagen sich in Bewegung setzten, als Tausende (insgesamt 600.000) am Straßenrand singend, tanzend, schunkelnd feierten, die Musik dröhnte und die Kamelle (insgesamt 250 Tonnen) flogen, war's um mich geschehen. Es steckt so viel Lebensfreude und Leidenschaft im Karneval, das kann man eigentlich nur toll finden. Danke, dass ich dabei sein durfte! Die schönsten Geschichten und Fotos haben wir in Düsseldorf und anderswo für Sie zusammengetragen. Schwelgen Sie ein bisschen mit, trotz Volkmarsen. Ich wünsche Ihnen einen gelassenen und friedlichen Veilchendienstag. Bis morgen, Ihr Moritz Döbler Mail an die Chefredaktion senden P.S.: Wenn Ihnen dieser Newsletter gefällt, empfehlen Sie die "Stimme des Westens" weiter! |